Literatur inszenieren - Projektarbeiten der Medienpraxis

Wie inszeniert man Literatur in einem anderen Medium? Dieser Frage gingen Studierende der Universität Paderborn nach und schufen Hörspiele und Videofilme. 

Lena-Johanna Seibel schneidet den Clip ‚Immer auf dem Laufenden’. (Foto: Neele Hruby)

Möglich wurden diese Arbeiten durch eine erfolgreiche Kooperation der Germanisten (Seminare Prof. Dr. Gödden) und der Medienpraxis (Seminare Dr. Strauch, Engelke). Ansporn für die Studierenden war die Aussicht, die medialen Bausteine im Rahmen der Ausstellung ‚Pop, Protest und Provokation’ im Museum für westfälische Literatur auf dem Kulturgut Nottbeck bei Oelde im Herbst 2017 zu zeigen (Ausstellung vom 24.09.17 bis 28.01.18).

Die Ausstellung ‚Pop, Protest und Provokation’ präsentiert jene Literatur, die im Epochenjahr 1968 in Westfalen entstand. 1968 probte bekanntlich eine Generation gegen die Eltern den gesellschaftlichen Aufstand. Was damals als Jugendprotest publikumswirksam die Straße beherrschte und in den sozialen Bewegungen der 70er und 80er Jahre die bundesrepublikanische Wirklichkeit veränderte, hinterließ auch beachtliche Spuren in der Literatur.

In einem Teilprojekt sind sehr unterschiedliche Videos entstanden, die die Haupttendenzen der Literatur in Westfalen zu jener Zeit aus heutiger studentischer Sicht interpretieren. Was geht die 68er-Revolte heutige Menschen noch an? Was ist aus der Literatur jener Jahre geworden? Die Antworten fallen kritisch oder affirmativ, pseudodokumentarisch oder als Spielfilmclip aus. Auf jeden Fall ist auch bei den Studierenden im Jahr 2017 wie damals bei den ‚Achtundsechzigern’ eine unbändige Lust am Experimentieren zu spüren:

Das Collagengedicht ‚What a Day’ von Fitzgerald Kusz verwandelte die studentische Produktionsgruppe in einen visuellen psychodelischen Traum.

Die Agit-Prop Stücke ‚Revision’ und ‚Schöne Aussichten’ von Hugo Ernst Käufer wurden mit aktuellen medialen Elementen der Jetzt-Zeit angepasst.

Textinszenierung zu ‚Schöne Aussichten’ von Hugo Ernst Käufer.

Die inhaltlichen Besonderheiten der Lyrik im Gedicht ‚Vom Gehen’ von Harald Hartung inspirierten die Studierenden zu einer Buchstaben-Revue.

Um unbewältigte Vergangenheit ging es in den Sprachexperimenten von Reinhard Döhl. Die Studierenden aus dem Jahr 2017 stellen dessen Frage nach der Verantwortung mit filmischen Mitteln kompromisslos neu.

Die Ebbe und die Flut. Eine Art Musikvideo.

Die visuelle Poesie in ‚Ebbe/Flut’ von Timm Ulrichs wurde sehr frei in ein Musikvideo übersetzt.

Und auch Szenen aus dem Pop–Roman, ‚Immer auf dem Laufenden’ von Hansjürgen Bulkowski, fanden eine audiovisuelle Umsetzung. Die studentischen Macher bedienen sich heutiger Clip-Ästhetik und belegen damit, dass die damals avantgardistischen poetischen Verfahren auch heute noch fruchtbar sind.

Zu guter Letzt ‚das Volksvermögen’.  Der Lyriker Peter Rühmkorf hatte 1968 eine Sammlung von Volkspoesie und Gossensprache herausgebracht. Eine Gruppe von drei Studierenden hatte die Aufgabe, den Kinderreim ‚Eine kleine Micky Maus…’ umzusetzen. In dem Video mutiert die Maus zum Mörder in der Duschszene von Hitchcocks Film ‚Psycho’.

Textinszenierung als Spielfilm-Szene: Kinderreim trifft auf Dusch-Szene.

Diese Medienbausteine finden in der Ausstellung ‚Pop, Protest und Provokation’ ein öffentliches Publikum und belegen einmal mehr, wie originell Studierende theoretischer Universitätsstudiengänge mit praktischen Herausforderungen umgehen können.

(Aus urheberrechtlichen Gründen können nicht alle Stücke, die in der Ausstellung zu sehen und zu hören sind, in Onscreen eingestellt werden.)

Thomas Strauch; 14.09.2017

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